Am 9. November 2014 jährt sich der
Fall der Deutschen Mauer zum fünfundzwanzigsten Mal. Ein Jahr später folgte
dann die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Dass Wiedervereinigungen
nicht immer eine Lösung sind, stellt Heidemarie Blankenstein im Falle Zyperns
zur Diskussion. Unsere Gastautorin, die jahrelang durch die Welt gereist ist
und noch immer viel unterwegs ist, weiß: Manchmal sind Mauern als Grenzen auch
ein guter Schutz.
Hier im
türkischen Norden der Mittelmeer-Insel Zypern bereitet man sich heute vielmehr auf
Kurban-Bayram vor, auf das Zuckerfest, vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest. Vier freie Tage stehen bevor,
viele Besuche bei den Familien, viele Leckereien, viele Picknicks im Grünen. Auch
sonst wird im türkischen Teil der Insel keine Feier ausgelassen: Da sind die
verschiedenen Dorffeste, das Olivenfest in Zeytinlik, das Lapta-Festival, das
Weinfest in Akdeniz, das Tourismus-Fest von Girne, das ökologische Fest in
Büyükkonuk.
Rund ums
Jahr gibt es Anlässe. So ist es nicht verwunderlich, dass Nationaltage gleich
zweimal zelebriert werden. Einmal am 15. November, dem Staatsgründungstag von
1983, und dann noch am 20. Juli. An jenem Tag im Jahre 1974 kam das türkische
Militär als Retter ihrer zyprischen Volksgruppe übers Meer, denn 5 Tage zuvor hatten
griechische Nationalisten gegen Staatspräsident und Kirchenoberhaupt Makarios
geputscht. Der warf seine Soutane ab und konnte durch die Küche auf die britischen
Militärbasen flüchten.
Die Insel
war bis 1960 britisch regiert. Griechische Nationalisten jagten sie von der
Insel – nur einige Militärstützpunkte sind den Briten verblieben. Auf der Insel
einigte man sich ab 1960 auf eine intelligente Verfassung, eine, die allen
Volksgruppen gerecht werden sollte. Aber schon drei Jahre später löste die griechische
Gruppe, die meinte, als Mehrheit das Sagen zu haben, das Verfassungsgericht
einfach auf. Die von Stund an bedrohten Türken zogen sich in Enklaven zurück,
so dass die Insel seit 1963 geteilt ist und de jure als Staat nicht mehr
besteht. Trotzdem wurde Griechisch-Zypern als „Republik Zypern“ 2004
EU-Mitglied, ohne dass geklärt war, auf welches Staatsgebiet sich diese
„Republik“ erstreckt.
Eine Grenze als Schutz. Die Insel ist geteilt, und zwar seit
1974 durch eine richtige Grenze. Mit dieser können die Zypern-Türken – trotz
scharfer Sanktionen – ganz gut leben, denn für sie ist diese Grenze ein Schutz
gegen griechische Extremisten, während Zypern-Griechen in ihr eine Bedrohung
sehen. Sie wünschen sich, nach deutschem Modell, eine Vereinigung. Allerdings
möchten sie dies nicht nach der Devise „Wir sind ein Volk“. Keinesfalls würde
die türkische Volksgruppe anerkannt oder gar respektiert werden, so wie es in
Deutschland der Vereinigung mit den Deutschen der DDR vorausging.
Am liebsten
möchten Griechen die Insel türkenfrei wissen. So sind jahrzehntelange
Friedensgespräche immer wieder gescheitert. Jüngst haben die Griechen wieder
einmal den Verhandlungstisch verlassen, denn zu Kompromissen zeigen sie sich
nicht bereit.
So sitze ich
hier am 3. Oktober oben auf meinem Balkon mit Blick auf das nur 60 km entfernte
Taurus-Gebirge in der Türkei und erfreue mich an unserem friedlichen
Mittelmeerdomizil. Dabei bin ich umringt von den aktuellen Brennpunkten wie
Syrien, Irak, Israel und Palästina.
„So paradox das auch für deutsche Ohren klingen
mag, ich genieße den Inselfrieden, den die Teilung durch eine Grenze 1974
geschaffen hat.“ (Zitat)
Eine neue Westbank? So sehr sich viele die Überwindung
dieser Teilung Zyperns wünschen mögen, die Zeit arbeitet für ihre Zementierung.
Dabei sollte niemand vergessen, dass eine Veränderung des Status Quo neues
Unrecht, wahrscheinlich auch neues Leid
und neue Gräuel hervorbringen wird. Aus einem demokratisch verfassten
Nordzypern könnte dann eine „Westbank“ werden….
Erscheinungsdatum: Montag, 3.11.2014
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