Freitag, 17. April 2009

Klang der Poesie


Sehen ist Sünde in der arabischen Welt. Obwohl der Oman, jenes kleine Sultanat ganz im Osten der Arabischen Halbinsel, keine gesetzlichen Kleidervorschriften kennt, verhüllen sich die meisten Frauen. Als Zeichen ihres Anstands und ihrer Frömmigkeit laufen sie herum wie katholische Nonnen - mit bodenlangem schwarzem Umhang und dem Kopftuch, dem Hijab. 

Wenn nun Sehen sündig ist, wie ist es dann mit dem Hören?

Hören ist erlaubt. Diese Lücke nutzte Klaus Geyer, Deutscher Botschafter in Maskat. Er brachte - im Rahmen von Kultur@Germany - den Klang der Poesie (Sounds of Poetry) nach Oman, und zwar ins traditionelle Bait Zubair, ein Museum, das in Alt-Maskat liegt und von dessen Zinnen sich bei Sonnenuntergang ein frappierender Farbenwechsel von Pink bis Kobaltblau beobachten lässt. Ein Phänomen, das auf den Lichtreflexen der stark eisenerzhaltigen kahlen Felsmassive beruht, die Maskat umgeben.

Der Festsaal des Zubair-Museums wurde für diesen Anlass mit wertvollen Teppichen, Kissen und Polstern gemütlich ausgestattet. Ein paar Stühle fehlten nicht, aber nur für jene, die wissen, dass nach langem Lagern das Aufstehen schwer werden kann.

Mitten drin ein schwarzer Konzertflügel sowie ein Pult. Der ehrwürdige Mohammed Al Zubair, Unternehmer, Fotograf, Sammler, Museumsgründer und Kunstmäzen war persönlich erschienen.

Und dann hoben Dr. Mohammed Khalifa vom Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg und der junge omanische Poet Abdulrahim Al Hinaie an, Gedichte in Arabisch und Deutsch vorzutragen. Ihre Worte wurden von der Pianistin Laura Feldmann sanft begleitet. Der Klang von Bach, Schumann, Chopin, Debussy umschmeichelte die Ohren der Zuhörer. Die Sängerin Stefanie Golisch rundete das Programm mit Liedern von Schubert, Brahms und Mendelssohn-Bartholdy ab.

Das omanische und europäische Publikum liess sich freiwillig an zwei Abenden (16. / 17. März 09) ins Paradies von Ton und Wort entführen,

“Sage ihr
Die du liebst
Sie sei schön
Und sie wird schön
Nach dem Maß deiner Liebe”

in ein geheimes Paradies, in dem Gefühle ausgedrückt werden, die in der realen muslimischen Welt nicht gezeigt werden dürfen. Nur in der Poesie folgt das Leben den Gesetzen des Herzens, dort dürfen sogar Hüllen von weiblicher  - aber auch männlicher - Schönheit fallen. So ist die Poesie lingua franca der Araber und Perser.

Kein Wunder, dass sich viele europäische Dichter, besonders jene des 18. und 19. Jahrhunderts, von der arabischen Poesie inspirieren ließen. Die prominentesten unter ihnen waren Goethe, Schiller und Heine.

“Zwei Abende” - wie es Botschafter Geyer sagte - “des Beweises von  Menschlichkeit, die genau ins UNESCO-Programm des jährlichen “World Poetry Day” zum Frühlingsanfang  passen“. Oder mit den einfühlsamen Worten der großen Orientalistin  Annemarie Schimmel:

“Poesie allein ist Weltversöhnung”.