Freitag, 27. Dezember 2013

Sartorius-Rezension, "Mein Zypern"


Rezension:
MEIN ZYPERN,  Joachim Sartorius,
ISBN 978-3-86648-174-9
Mare-Verlag, 1. Auflage 2013, 18,-- Euro 

"Mein Lieblingshaus steht auf Zypern".... 

....schreibt Joachim Sartorius. Für Mittelmeer-Fans hat er ein handliches Buch mit hohem Wiedererkennungswert verfasst. Der Autor hat von 1984 bis 1986 drei Sommer in Türkisch-Zypern verbracht. 2012 kam er für drei Wochen als Tourist zurück und vollendete seine Aufzeichnungen von damals. "Was ich tue, ist im Grunde eine neue Abmischung zweier Zeiten". 

Joachim Sartorius war mit 28 Jahren gerade ins Auswärtige Amt eingetreten, als sein Vater, der Deutsche Botschafter in Nikosia, 1974 den rechtsextremistischen griechischen Sampson-Putsch mit der anschließenden türkischen Intervention der halben Insel erlebte. Sohn Joachim nahm während der folgenden 20 Jahre verschiedene Aufgaben im Bonner Auswärtigen Amt wahr und war bis 1986 in New York, Istanbul und Nikosia auf Posten. Anschließend übernahm er leitende Funktionen bei DAAD und Goethe-Institut. Bis 2011 war er  Intendant der Berliner Festspiele.  

Obwohl er mehrere Jahre auf Zypern gelebt hat, ist doch sein Blickwinkel von seinem Arbeitsplatz im griechischen Teil der Insel geprägt. Seine Freunde dort, meistens Künstler, haben diesen Blick offensichtlich stark beeinflusst. So sieht er sich selbst als schöngeistiger Außenseiter.  

Einfühlsam und oft voller Poesie sind seine Schilderungen des sommerlichen Zyperns und seiner historischen Kulturstätten. Auch fast 30 Jahre nach seinen Erlebnissen in Paphos, Lapithos, Kouklia oder Bellapais fühlt man einen emotionalen Elan in Sartorius' Sprache.  

Als Reiseführer ist das Buch allerdings unbrauchbar, denn Sartorius benutzt für alle - seit fast 40 Jahren - türkisch-zyprischen Orte konsequent nur die nicht mehr gültigen griechischen Bezeichnungen und spricht - wie es der griechischen Seite gefällt - permanent vom "türkisch besetzten Norden".  Kein Wort verliert er zu der Tatsache, dass im Norden inzwischen ein eigenes funktionierendes Staatswesen existiert und die dort stationierte türkische Armee für griechische Zyprer möglicherweise eine Bedrohung, für die türkischen Zyprer aber vor allem einen wichtigen Schutz bedeutet.  

Nur ein einziges Mal scheint in seinem Buch eine erfrischende Einsicht auf: "Ich wagte nicht, meinen Freunden zuzurufen, dass dieser vehemente Panhellenismus die türkische Minderheit in die Enge getrieben hatte. Ich wagte auch nicht zu fragen, ob diese Revolte gegen Großbritannien, angeführt von einem Pistolero und einem Prälaten, nicht schon den Keim der späteren Vergiftung in sich trug".  

Da fragt sich der informierte Leser: Warum tat es Sartorius nicht? War es Diplomatie am falschen Platze? 

Das kommt besonders krass zum Vorschein, als er arglos und anscheinend ohne Unrechtsempfinden beschreibt, wie er sich in Türkisch-Zypern auf den antiken Böden von Salamis und Vouni die Taschen mit antiken Scherben vollstopft.  

Wenn sich Sartorius jedoch poetisch seiner Auslandserfahrung nähert, dann sind seine Textstellen und Gedichte am besten. Dabei versucht er als veritabler Schöngeist, alles Politische auszublenden. Das kann ihm aber auf dieser Insel nicht gelingen, wo Weltgeschichte Inselgeschichte bedeutet und das tägliche Leben der Menschen beider Inselstaaten davon extrem geprägt ist.   

Heidemarie Blankenstein,
Berlin, 20. September 2013